Die Benediktiner von Gerleve (1948 bis heute) – Entwicklungen und Strukturen einer Abtei unter besonderer Berücksichtigung des Themas Missbrauch

Das Forschungsprojekt beschäftigt sich im Rahmen allgemeiner zeitgeschichtlicher Fragestellungen mit der Geschichte der Benediktinerabtei Gerleve von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Die Untersuchung richtet sich dabei auch auf die Erforschung sexualisierter Gewalt durch Angehörige der Abtei sowie den Umgang damit. Dabei soll eine Einordnung in die Kontexte der Ordensgeschichte, der Geschichte der Gewalt in der bundesdeutschen Gesellschaft nach 1945 und in die kirchliche Zeitgeschichte erfolgen.

Zentrum der Untersuchung ist das Benediktinerkloster in Gerleve, das 1899 gestiftet und nur wenige Jahre später, 1904 zur Abtei erhoben wurde. Das der Benediktinerkongregation von Beuron zugehörige Kloster liegt zwischen den westfälischen Städten Coesfeld und Billerbeck und wuchs rasch heran – in den 1930er Jahren gehörten ihm bereits rund 100 Mönche an. Es entwickelte sich zu einem wichtigen spirituellen Zentrum für eine ganze Region und unterhielt für seine Arbeit ein eigenes Exerzitienhaus sowie später ein Jugendbildungshaus. Die Gerlever Benediktiner wurden zudem in der Pfarrseelsorge umliegender Gemeinden eingesetzt, engagierten sich aber auch über die Region hinaus, beispielsweise in der „Liturgischen Bewegung“, der theologischen und historischen Forschung sowie der Musikwissenschaft.

Es wird in der Untersuchung daher auch zu fragen sein, wie dieser Ort zu einem religiösen Zentrum für den münsterländischen Katholizismus mit überregionaler Ausstrahlungskraft werden konnte und welche Formen der Seelsorge hier entwickelt und umgesetzt wurden. Das Forschungsprojekt wird eingebettet sein in die zeitgeschichtliche Katholizismusforschung und nimmt dabei insbesondere die Pastoralgeschichte mit in den Blick. Unter Berücksichtigung der Frage nach sexualisierter Gewalt sollen aber auch strukturelle Voraussetzungen und spezifische Rahmenbedingungen, die Missbrauchstaten und deren Beschweigen ermöglichten, untersucht werden. Die volkskirchlichen Strukturen der Region, das katholische Milieu und deren allmählicher Verfall finden dabei Beachtung.

Methodisch beruht das Forschungsprojekt auf einer klassischen Aktenanalyse von überwiegend noch nicht ausgewertetem Quellenmaterial. Es wird hierbei insbesondere auf das Schriftgut des Archivs der Benediktinerabtei Gerleve zurückgegriffen. Ferner sind die schriftlichen Überlieferungen von der Abtei übergeordneten bzw. mit der Abtei kooperierenden kirchlichen und klösterlichen Institutionen sowie staatlicher Archive auszuwerten sowie die Analyse einschlägiger Medienberichterstattung zu berücksichtigen. Unverzichtbar ist nicht zuletzt die Durchführung von Zeitzeugeninterviews mit den Methoden der „Oral History“.

Die Erforschung der Benediktinerabtei Gerleve unter besonderer Berücksichtigung des Themas Missbrauch soll in engem Austausch mit vergleichbaren Projekten erfolgen. Die Ergebnisse des auf drei Jahre angelegten Forschungsprojektes soll in Buchform der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Kontakt:

Dr. Martin Fischer
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