Katholischsein in der Bundesrepublik Deutschland 1965–1989/90

Von 2020 bis 2023 war bei der Kommission für Zeitgeschichte eine neun Hochschulstandorte vernetzende DFG-Forschungsgruppe 2973 „Katholischsein in der Bundesrepublik Deutschland. Semantiken, Praktiken, Emotionen in der westdeutschen Gesellschaft 1965 – 1989/90“ angesiedelt.

Die Forschungsgruppe ging von zwei Beobachtungen aus:

  1. In der Bundesrepublik zwischen dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965 und der „Wende“ 1989/90 dynamisiert sich das religiöse Feld in bis dahin unbekannter Weise.
  2. Um diesen Wandel historisch zu fassen bedarf es eines methodischen Paradigmenwechsels.

Der neu eingeführte Forschungsbegriff „Katholischsein“ fokussiert dabei insbesondere die gegenläufig zum erodierenden katholischen Milieu feststellbaren Prozesse der „Öffnung“: plurale religiöse Wandlungsdynamiken und erweiterte Räume zivilgesellschaftlicher und politischer Vernetzung der Katholiken. „Katholischsein“ als Forschungsgegenstand rechnet nicht mehr mit einem soziopolitischen und religionskulturellen Milieu, das sich vom Rest der Gesellschaft signifikant unterscheiden will.

Methodisch wird „Katholischsein“ daher kulturwissenschaftlich im Sinne eines „doing catholicisms“ verstanden: Was sind die vielen Formen und Erfahrungen des „Katholischseins“, wenn sie nicht mehr als organisierte Kirchlichkeit stattfinden? Welche neuen Semantiken, Praktiken und Emotionen bringt „doing Catholicism(s)“ hervor?

Das Forschungsprogramm, seine forschungsgeschichtliche Einordnung, der neue methodische Zugang sowie zentrale Thesen und erste Ergebnisse der Forschungsgruppe sind in einem Beitrag von Andreas Holzem und Christoph Kösters zusammengeführt: „Von den vielen Weisen, „katholisch zu sein“: Katholischsein / doing Catholicisms als Paradigma einer Zeitgeschichte der Religionskultur 1960–1990“ (veröffentlicht in: Historisches Jahrbuch 144 (2024). Download pdf.

Die aus der Forschungsgruppe hervorgehenden Projektstudien erscheinen suk­zes­si­ve in den Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen.

Markus Raasch: Ein fürchterlicher Verrat? Katholischsein und die Abschaffung der staatlichen Konfessionsschulen in Rheinland-Pfalz 1963–1973, Paderborn 2023 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, Bd. 144)

Nicole Priesching / Andreas Henkelmann / Pia Nordblom / Derya Özdemir: Aufbruch in Grenzen. Akademisierung und Professionalisierung »weiblicher Berufe« am Beispiel der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen 1970–1989, Paderborn 2024 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, Bd. 146)

Alina Potempa: Das katholische ´68. Die Auswirkungen der „Pillenenzyklika“ Humanae vitae auf das Katholischsein in der Bundesrepublik, Paderborn 2025 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, Bd. 148)