Reihe B: Forschungen
Damberg, Wilhelm: Abschied vom Milieu? Katholizismus im Bistum Münster und in den Niederlanden 1945–1980, Paderborn [u. a.] 1997
Der tiefgreifende Wandel des gegenwärtigen deutschen Katholizismus ist unübersehbar. Erstaunlicherweise besteht bisher aber weder über die Ursachen noch über die Zielrichtung dieses Prozesses Klarheit. Die heftig geführten Diskussionen der Theologen, Zeithistoriker, Soziologen und Meinungsforscher kreisen dabei immer wieder um die Leitfrage nach der Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) für diesen Wandel.
Trifft die verbreitete Einschätzung zu, Kirche und Katholizismus hätten sich bis zu diesem Konzil milieugeschützt in einer geschlossenen und »heilen« Welt eingerichtet? Entspricht diese Beschreibung z. B. der Realität der 40er und 50er Jahre oder lassen sich im Rückblick bereits damals Probleme identifizieren, die dann erst mit dem Konzil ins allgemeine Bewußtsein traten? In welchem Zusammenhang steht die Wirkungsgeschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils in Deutschland mit den allgemeinen gesellschaftlichen Reformen der 60er und 70er Jahre?
Der Autor hat die Veränderungen des deutschen Katholizismus seit 1945 eindringlich analysiert und beantwortet diese Leitfragen anschaulich und überzeugend am Beispiel des Bistums Münster, das seit den Jahren des Kulturkampfes als besonders fest gefügtes Bollwerk des Katholizismus galt. Die quellennahe Längsschnittuntersuchung beginnt in der Nachkriegszeit, als die Katholiken unter Führung ihres Bischofs als »geschlossene Schlachtreihe« eine missionarische Offensive zur Verchristlichung der Gesellschaft unternahmen, und reicht bis zur konziliaren Neuorientierung und Öffnung zum »Dienst an der Welt«. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Problemen und Konflikten, die sich im Jahrzehnt nach 1968 in der Jugendarbeit und in der Schulpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen ergaben.
Die für das Bistum Münster erhobenen Befunde werden schließlich erstmals mit der Entwicklung des benachbarten niederländischen Katholizismus verglichen. Der niederländische Katholizismus galt in Europa bis 1962 als unübertroffenes Beispiel eines geschlossenen Milieukatholizismus, der der Bistumsleitung in Münster in vielem als Vorbild diente. In den 1960er Jahren verwandelte er sich dann in einem Bruch wie über Nacht zur Vorhut konziliaren Reforingeistes und gewann dadurch weltweite Beachtung.
Es ist sicher nicht übertrieben, dem vorliegenden Buch, das tief in den Strukturwandel des modernen Katholizismus eindringt, den Rang einer bedeutenden Pionierarbeit zuzusprechen.
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